Die Rose von Darjeeling - Roman by Sylvia Lott

Die Rose von Darjeeling - Roman by Sylvia Lott

Autor:Sylvia Lott [Lott, Sylvia]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-02T17:00:00+00:00


Ammerland

Mainacht 2010

»Was haben die denn vor?«

Max wunderte sich über eine muntere, bunt zusammengewürfelte Truppe von Leuten, einige mit Rosenschere und Gartenhandschuhen bewaffnet, die der Dorfmitte zustrebte. Julia saß neben ihm im Auto. Sie befanden sich auf dem Weg zum Tanz in den Mai.

»Och, die wollen sicher einen Maibaum aufstellen.«

Max fuhr langsamer. Der Geruch von Bratwürsten und angekokeltem Stockbrot drang durchs geöffnete Autofenster. Ein Mann spielte sich auf dem Akkordeon warm. Kinder hüpften aufgeregt umher.

Julia grinste. »Das ist ein alter Ammerländer Brauch. Wird in fast jedem Dorf gepflegt.«

»Erzähl mehr. In London gibt’s so was nicht.«

Sie erklärte ihm, dass meist die Vereine dazu aufriefen. »Man trifft sich am 30. April, bastelt eine Krone mit Bändern und Papierblumen. Die Männer fahren mit dem Trecker in den Wald und schlagen eine hohe Birke. Und dann wird die Krone befestigt und der Maibaum auf dem Dorfplatz aufgestellt.«

»Witzig! Und dazu wird getanzt? So richtig wie früher?«

»Meistens ja. Anschließend in der Disco. Aber in einigen Orten gibt’s noch Volkstanz unterm Maibaum, zum Beispiel in Bad Zwischenahn.«

»Können wir uns das ansehen, bevor wir auf die Party gehen?«

Julia zuckte mit den Achseln. »Ja, sicher …«

Sie erklärte ihm den Weg.

»Du bist so heimatverbunden. Hast du je etwas anderes machen wollen als den Familienbetrieb weiterzuführen?«

»Richtig ernsthaft hab ich nie darüber nachgedacht«, erwiderte sie nachdenklich. »Nach dem Tod meines Vaters war klar, dass ich so früh wie möglich meiner Mutter unter die Arme greifen muss.« Unter anderen Umständen hätte sie vielleicht Landschaftsarchitektur studiert.

»Wärst du unglücklich ohne den Betrieb?«

»Du stellst Fragen …«

Julia überlegte. Es war nicht einfach, in Zeiten wie diesen einen mittelständischen Betrieb profitabel zu führen. Nicht nur die Energiepreise stiegen. Sie fühlte sich oft wie der Frosch, der in die Milchkanne gefallen war und strampelte und strampelte, um nicht zu ertrinken – immer in der Hoffnung, dass unter ihm endlich feste Butter entstehen möge. Dass die Banken- und Eurokrise nicht nur in der Tagesschau stattfand, sondern zunehmend ihr Leben zum Schlechteren veränderte, machte sie zornig. Der Mittelstand bröckelte immer mehr weg, und man konnte kaum etwas dagegen tun! Ihr Urgroßvater hatte sich in der Nachkriegszeit noch als Abgeordneter im Kreistag engagiert. Aber ihr fehlten Zeit und Energie. Alle Power steckte sie in den Betrieb. Manchmal konnte sie schon verstehen, dass Lutz es nicht mehr ertragen hatte an ihrer Seite. Aber das alles wollte sie Max jetzt nicht erklären.

»Natürlich gibt’s Dinge, auf die ich gut verzichten könnte«, antwortete sie fast ein wenig ungehalten. »Man muss sich zum Beispiel mit Klimaregeltechnik beschäftigen, für die Gewächshäuser. Und mit der Partikelfilterpflicht für die dieselbetriebenen Baumaschinen, die wir einsetzen. Neulich war wegen eines Förderbandes für die Eintopfungsarbeiten ein Vertreter da, der mir stundenlang was von der ›Distribution kleinvolumiger Güter‹ erzählt hat.« Sie lachte. »Also, wenn der Laden auch ohne so was laufen würde, und ohne Buchhaltung und den ganzen grässlichen Steuerkram – wunderbar! Nur auf die Rhodos könnte ich niemals verzichten.«

Es war nicht einfach, im Kurort einen Parkplatz zu finden. Mehrere hundert Leute hatten sich auf dem Vorplatz des großen Bauernhauses im Museumsdorf versammelt, und die Jugendtrachtengruppe löste gerade die Kindergruppe ab.



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